Langsam haben wir uns an Bischkek, Kirgistan und die Zeitverschiebung gewöhnt und sind angekommen. Nun schlug das erste Mal die Stunde der intensiven Projektarbeit.
Meine Erwartungen
Da heute das erste Interview mit der „International Organization for Migration“ stattfindet, erhoffe ich mir sehr, dass wir trotz unserer unterschiedlichen guten Sprachkenntnisse des Englischen dieses Interview meistern und mit informativen Ergebnissen nach Hause gehen. Die spätsommerliche Wärme darf sich heute auch gerne wiederholen, vor allem da wir in der nachmittäglichen Freizeit gerne den Osch-Basar besuchen wollen.
Meine Erlebnisse
Nach dem wir um 7:30 etwas müde aufgewacht waren und dann lecker gefrühstückt (Azhar hatte mir bereits ein tolles Sandwich und einen Tee gemacht) hatten, fuhren wir mit dem kleinen Bus „Marschrutka“ zur Schule. Die Marschrutki sind Sammeltaxen, die immer auf bestimmten Linien fahren. Leider standen wir im Stau, weshalb wir nicht rechtzeitig in der Schule ankamen.
Zunächst ging es um die Vorstellung der gestrigen Spurensuche. Azhar und ich hatten gestern eine Universität fotografiert und stellten diese dann als „Spur der Migration“ vor, weil es sich in den Bereich „gute Ausbildungschancen“ einordnen und damit als Pull-Faktor gilt. Laut Azhar kommen viele Studenten aus Ländern wie Indien oder Südostasien, um hier in Bischkek gut und vor allem günstiger studieren zu können. Insgesamt stellten unsere Ergebnisse unsere Lehrer jedoch wenig zufrieden. Sie kritisierten oft fehlenden inhaltlichen und sprachlichen Bezug, vor allem aber eine gewisse Unkreativität. (Ja, das war durchaus schade. Anm. d. Red.)
Nach einer kurzen Pause haben wir uns den Film ,,My escape – Meine Flucht“ angeschaut. Der Film bestand aus privaten Videoaufnahmen, die Flüchtlinge auf ihrer Flucht aus Syrien, Afghanistan und dem Irak gemacht haben. Obwohl der Filmausschnitt nur etwa 20min lang war, hat er Azhar und mich intensiv berührt.
Irgendwie passte es dann dazu, dass unsere Lehrer für uns einen Instagram-Account angelegt hatten, der sowohl von den deutschen, als auch von den kirgisischen Schülern geführt werden kann. Denn irgendwie gibt es manchmal Probleme auf den Blog zu kommen. Sofort waren die ersten Bilder drauf…Kurz nach 12 Uhr aßen wir zu Mittag. Als Vorspeise gab es Borschtsch, Anschließend gab noch Salat, Hähnchen und Grechka (Linsen) und den/das alltägliche(n) Kompot (typisch kirgisisches Getränk). Danach hatten wir alle eine kurze Pause. In der Pause haben wir mit einigen deutschen und kirgisischen Schülern Basketball gespielt. Das war großartig.
13Uhr ging es weiter. Einige Migrationsaspekte hatten wir nun also bereits geklärt und durchdrungen und jetzt wurde es langsam Zeit für unser erstes Interview. Unser Lehrer gab uns zunächst einen Text, mit dem sich die IOM und ihr Wirken in Kirgistan kurz vorstellte und daran erarbeiteten wir gemeinsam ein allgemeines Verständnis und wichtige Fragen.
Dann wurde es ernst. Wir versammelten uns in der Aula und Nurbek Omurov von der IOM führte uns in die Arbeit seiner Institution und deren Verständnis von Migration ein. Er betonte, dass sich Migration nicht stoppen lässt, schon gar nicht in einem Land wie Kirgistan, dass einen riesigen jährlichen „Überschuss“ an möglichen Arbeitskräften hat, wenn 100000 Schüler die Schule beenden, aber nur für etwa 50000 Job- und Ausbildungsschancen da sind. Nurbek erklärte, dass es um eine intelligente und sichere Migration in andere Länder gehen müsse, sodass es keine Kinder mehr gibt, die ohne ihre Eltern aufwachsen, weil diese in Russland, Kasachstan oder der Türkei arbeiten. Auch in der Schule 69 gibt es Kinder, die dieses Schicksal teilen, wobei sich viele unserer Partner stark für ein Wegzug aus Kirgistan interessieren. Andererseits bestätigte er Azhars Annahme, dass viele Studenten aus Indien bzw. aus Südostasien nach Kirgistan kommen, um hier z.B. Medizin zu studieren.
Das Interview wurde nur durch ein paar Schüler und unsere Lehrer geprägt, es war aber dennoch sehr interessant und hielt viele wichtige Erkenntnisse bereit, die wir an anderer Stelle ergänzen. Jedenfalls waren eigentlich alle Schüler danach wesentlich besser über Migration in Kirgistan unterrichtet als vorher, vor allem weil Nurbek seine wichtigsten Gedanken auch nochmal für die Kirgisen auf Russisch zusammenfasste.
Nach diesem ersten Vorgeschmack auf unsere Interviews in Kleingruppen, waren wir froh, dass wir dann nochmal Energie bei Freizeit in der Stadt tanken konnten. Mittlerweile verstehen wir uns in der Gruppe sehr gut und sind vertrauter zueinander geworden. Leider war der Osch-Basar bereits geschlossen, als wir dahin gehen wollten. Alle deutschen und kirgisischen Austauschschüler haben sich dann auf den Weg zum großen Einkaufszentrum ,,Asia Mall“ gemacht. Das Einkaufszentrum uns alle schwer beeindruckt, da das Zentrum von innen ziemlich modern und schick aussieht. Wir waren in einigen Läden und sind daraufhin Essen gegangen. Einige haben sich bei KFC Essen gekauft, während andere sich bei einem anderen Laden eine Art ,,Rollo“ gekauft haben. Danach teilte sich die Gruppe langsam auf und wir zwei verabschiedeten uns später und fuhren wieder mit der Marschrutka heim. Interessanterweise gab es dann auch noch Abendbrot, heute eine leckere Makkaroni-Kartoffel-Suppe. Verhungern werden wir hier definitiv nicht. Als wir um etwa 23 Uhr schlafen gingen, war ein ereignis- und lehrreicher Tag vorüber.
Bemerkenswertes
Der Film „My escape“ ist wirklich empfehlenswert.
Nurbeks positive Sicht auf Migration, wenn sie richtig gesteuert und von allen Staaten angenommen wird. Kirgistan scheint außerdem in vielerlei Hinsicht stark an Russland gebunden zu sein, was die Situation für kirgisische Arbeiter dort manchmal sehr schwer macht.
Das Abzählen der kirgisischen Schüler, um zu veranschaulichen, wer in seiner Heimat keine Chance hat, einen Job zu bekommen. Hier wurde ein großer Unterschied zu unserer Lebenswelt deutlich.
Herausforderndes
Am Anfang konnte ich dem Experten gut verfolgen, allerdings habe ich mit der Zeit den ,, roten Faden“ verloren, da er sehr ausführliche Anworten gab. Sprachlich war das Interview auf Englisch keine große Herausforderung für mich, da der Experte deutlich und langsam gesprochen hat. Die Kirgisen und manche andere Schüler haben dagegen nicht viel verstanden.