Kaum angekommen und eingelebt, ist auch schon der letzte Tag angebrochen. Intensive Tage liegen hinter uns und viel wird noch zu tun sein. Aber heute gilt es langsam Abschied zu nehmen…
Meine Erwartungen:
Ich (Anton) freue mich einerseits auf diesen Tag, da auch der letzte Teil unserer Gruppe die Chance hat, einen Experten zum Thema „Migration“ zu interviewen. Die Aspekte und Fragen, die wir in der Schule gesammelt haben, noch einmal durch einen Fachmann beurteilt und beantwortet zu bekommen, ist für uns sehrs hilfreich und für mich auch irgendwie spannend. Andererseits wird der letzte Tag durch die vielen Verabschiedungen sehr traurig werden.
Meine Erlebnisse:
Der Tag startete für mich um 8:15 Uhr durch meinen guten Freund, den Wecker. Ich ging duschen und machte mich bereit für den heutigen Tag, indem ich meine Jogginhose links liegen ließ und nach meiner dunklen Jeans kramte. Bevor wir uns auf den Weg machen konnten, musste ich aber noch meine Suppe essen und meinen Tee trinken. Solche Dinge den Kirgisen auszuschlagen, ist unmöglich. Verhungern konnten wir hier keinesfalls. Dafür wurden wir einfach viel zu gut und reichhaltig umsorgt. Mit einem gemeinsamen „Omen“ wurde das Essen schließlich beendet und wir kamen leider erst verspätet zur Schule los. Wir fuhren mit der Frau von Aizhans Bruder, mit der ich mich angeregt über die Kultur und die Tradition Kirgistans unterhielt. Nach der 40 minütigen Busfahrt und einer Vielzahl an neu gewonnenen Wissen über Kirgistan stiegen wir aus und gingen in die Schule. Wie an jedem Tag grüßte uns der Hausmeister in einer Mischung aus Kirgisisch und Deutsch. Zu unserem Glück gab es technische Probleme mit der White Board-Tafel, wodurch es nicht besonders auffiel, dass wir zu spät kamen. Kurz vor 10 trudelten auch die letzten ein und wir fingen mit den Nachbesprechungen der Interviews an. Zunächst ging es weniger, um Kritik, Lob, Tipps und Tricks, sondern um Inhaltliches, da jeder Schüler in anderen Interviewgruppen war. Um ein gemeinsames Verständnis der Thematik „Migration“ und der Position unserer Interviewpartner zu erreichen, sollten wir kurz unsere Institution und deren Ziele und Aufgaben vorstellen, auf eine wesentliche Aussage eingehen und dann die Antworten auf unsere Basisfragen darlegen. Zur Begeisterung unserer Lehrer verlief gerade dieser wichtige Teil sehr behäbig und mussten sie teilweise stark lenkend eingreifen. Die anderen konnten ihre Informationen mehr oder weniger gut darstellen. Im Allgemeinen zeigte sich jedoch, dass die Informationen durch unseren Experten der IOM auch durch die einzelnen Interviewpartner gestützt werden, sie jedoch an manchen Stellen mit Blick auf ihr individuelles Arbeitsfeld differenzieren. (Dazu an anderer Stelle mehr.)
Dann klopfte es auf einmal und das kirgisische Fernsehen kam früher als verabredet. Zuerst wurde das Unterrichtsgeschehen auf Film und Foto gebannt und dann wollte man noch ein Interview mit 2 Schülern führen. Unser Lehrer war wegen des gekaperten Unterrichts an dieser wichtigen Stelle recht genervt und überließ dem Filmteam den Raum. Umso problematischer war, dass Frithjof und ich nicht etwa über unser Projektthema oder ein paar Hintergründe unseres Austausches befragt wurden, sondern ganz allgemeine Fragen zu Kirgistan gestellt bekamen. Wie gefällt es euch hier? Würdet ihr hier gerne leben? Was sagt ihr zu den Nomadenspielen? Am Ende gab es noch ein Foto der gesamten Gruppe vor dem Schulgebäude und wir konnten weitermachen.
Im zweiten Teil des heutigen Projektunterrichts ging es dann um die Reflexion des Austausches. Hierzu hatte der neue Deutschlehrer der Schule 69 eine aktive Variante vorbereitet, die ebenfalls auf dem Schulhof stattfand. Im Kreis stehend mussten wir uns zu jeder Frage enstprechend unserer Zustimmung positionieren. Je näher wir ihm in der Mitte kamen, umso mehr bejahten wir die Frage. Schön zu sehen war, dass wir uns als Gruppe oftmals ziemlich nah kamen, da wir alle ähnliche Einschätzungen besaßen und die Fragen nach Lerneffekten, Zufriedenheit, Atmosphäre mit einem klaren „Ja“ beantworteten. Außerdem bekamen wir ausführliche Fragebögen, um unsere Gedanken über den Austausch und die Zeit in Kirgistan ausführlicher festzuhalten. Jeder Schüler nahm sich viel Zeit fürs Ausfüllen und half seinem kirgisischen Partner mit problematischen Vokabeln. Durch die beiden Aufgaben haben wir uns nochmal genauere Gedanken über den Austausch gemacht und sind zu dem Entschluss gekommen, dass es eine unvergesslich schöne und interessante Zeit war. Ich kann den Austausch an jeden weiterempfehlen, der offen für neue Menschen und eine andere Kultur ist. Danach war für die meisten Schüler Schluss (abgesehen von einigen Schreib- und Kaufaufträgen). Für uns (Frithjof, Dastan, Begaim, Aizhan und ich) stand jetzt jedoch das Interview mit der Friedrich Ebert-Stiftung an. Zum Glück hatten wir vorher aber eine zweistündige Pause, in der wir mit allen Koreanisch essen gegangen sind.
Das Interview verlief dann sehr gut. Der Regionaldirektor der Friedrich Ebert-Stiftung in Kirgistan Alexander Rosenplänter war wirklich nett, sehr zuvorkommend und ließ sich auf alle Fragen von uns ein. Es war eine überaus freundliche Atmosphäre und die ganze Zeit ein Gespräch auf Augenhöhe. Wir sprachen über die sehr vielfältigen Tätigkeitsfelder der FES, darüber dass man sowohl mit dem Parlament als auch mit Jugendclubs zusammenarbeitet und dass man sehr viel Wert darauf legt, mit den Kirgisen gemeinsam gesellschaftliche Entwicklungsprozesse anzustoßen. Auch die FES sieht die wirtschaftliche Lage Kirgistans als Auslöser der starken Migration an und versucht auf ihre Weise Änderungen in den teils verkrusteten Strukturen zu erreichen, die dann langfristig in Pull-Effekten für Kirgistan münden könnten. Leider hatte er eine Stunde später bereits eine Konferenz. Wir übergaben unser kleines Geschenk, Herr Rosenplänter freute sich aufrichtig und wir schossen schnell noch ein paar Fotos mit ihm und einem Papp-Ebert. Wirklich schön war, dass er uns zum Bleiben inlud, schließlich wären noch Tee und Kekse da. Diese Chance nutzten wir und sprachen mit der deutschen Praktikantin, die für drei Monate in Kirgistan ist und gerade am Morgen an einer kleinen Konferenz mit Frauen im sogenannten „Gender Lab“ teilgenommen hatte. Wir sprachen nun ganz offen über Dinge wie Sexualität, Homosexualität und den Blick der Kirgisen darauf. Für uns Deutsche war es überraschend, dass die Kirgisen keine Informationen in der Schule zu diesen Themen erhalten und gerade die Mädchen nur daheim aufgeklärt werden. Ihr sehr kritischer Blick auf unterschiedliche sexuelle Orientierung ist dabei stark von Religion (in Kirgistan vor allem der Islam) und der traditionsverhafteten Gesellschaft geprägt.
Im Anschluss haben wir uns mit dem Rest getroffen, manche waren vorher noch auf dem Osch-Basar einkaufen, und sind Rollschuh fahren gegangen. Danach gab es Pizza und wir ließen den letzten Abend ruhig ausklingen, schließlich war der Treffpunkt am Flughafen mit 3 Uhr am Morgen ordentlich früh. Bevor die ersten Kirgisen gehen mussten, bekamen wir noch kleine Geschenke als Andenken an die schöne Zeit. Unter Tränen verabschiedeten sich die, die am nächsten Morgen nicht am Flughafen sein konnten und gegen 22:00 Uhr löste sich unsere Gruppe auf. Wir fuhren mit unseren Partnern zu den Familien, um den letzten Abend mit ihnen zu verbringen. Auch von ihnen bekam ich Geschenke für meine ganze Familie und man merkte noch einmal, dass Gastfreundlichkeit und Höflichkeit in Kirgistan ein sehr wichtiger Teil für sie ist. Und so schlief ich einerseits mit einem traurigen, aber auch glücklichen Gefühl schlief ich ein.
Bemerkenswertes
Die Offenheit unseres Interviewpartners, die die Antworten in langen und verständlichen Sätzen erklärten.
Die Familien und Austauschschüler, die uns sehr schätzen und nicht mehr gehen lassen wollten.
Herausforderndes
Die Antworten der Experten aufzunehmen und daraus weiter Fragen zu entwickeln. Es gelang uns nicht immer, aber für den Anfang hat es gereicht.
Fazit:
Umso trauriger der Abschied, desto schöner der Austausch.