Deutsche Botschafterin in Bischkek

iwersen

Am Mittwoch, den 19.9.2018 interviewten wir die Deutsche Botschafterin in Bischkek, Monika Iwersen, die seit November 2017 in der kirgisischen Hauptstadt auf Posten ist. Mit ihr arbeiten noch 30 weitere Menschen in der gerade umgezogenen Botschaft, wovon sogar 13 aus Deutschland stammen, u.a. ein Polizist, der uns am Eingang genau überprüfte. Letztlich ein ziemlich großer Aufwand, der uns direkt zu unserer ersten Frage führte. 6000km von der Heimat entfernt, in einem Land, dass viele Deutsche nicht kennen oder wenigstens nicht wissen, wie der richtige Landesname lautet – warum gibt es hier eigentlich eine deutsche Botschaft?

Frau Iwersen griff zur Erklärung auf die Landesgeschichte zurück, die bis Ende 1991 fest mit der russischen bzw. sowjetischen verbunden war. Kirgistan war eine der Sowjetrepubliken, aber als sich die Sowjetunion nach Glasnost und Perestroika, dem Mauerfall und dem Ende des Kalten Krieges überlebte und zerfiel, gewann das zentralasiatische Land mit anderen Staaten wie Turkmenistan, Armenien und der Ukraine seine Unabhängigkeit. Das gerade wiedervereinigte Deutschland hatte ein starkes Interesse, diese jungen Staaten auf ihrem Weg zu begleiten. West- und Ostblock waren gerade zerfallen und während die einen gen Westen schauten und neue Perspektiven suchten, ging der deutsche Blick in den Osten, um mit Ländern in Kontakt zu treten, zu denen diese über Jahrzehnte nicht möglich war. In Kirgistan war darüber hinaus auch noch eine relativ starke deutsche Minderheit vertreten, sodass es nur folgerichtig war, dass die Bundesrepublik 1992 ihre Botschaft als eine der ersten und lange Zeit als einziges EU-Land eröffnete.

Frau Iwersen führte dann aus, was seitdem die Aufgabenbereiche sind. Die Botschaft ist Ansprechpartner und Vermittler im zwischenstaatlichen Dialog, repräsentiert den deutschen Staat, unterstützt wirtschaftliche und kulturelle Kontakte sowie NGO-Arbeit und ist Anlaufstelle für diejenigen Deutschen, die sich im Land aufhalten und dabei Hilfe oder Rat benötigen. Einen wesentlichen Teil macht aber die Visa-Erteilung aus, zumal man in der Deutschen Botschaft auch Einreiseerlaubnisse für europäische Länder wie Portugal und Spanien erteilt. Auch wenn man für eine Visa-Erteilung nur etwa eine Woche benötigt, bindet diese Arbeit immer mehr Kapazitäten, sodass die Überprüfung, ob die benötigten Dokumente vollständig sind, mittlerweile an eine Agentur übergeben wurde. Das würde die Botschaftsarbeit sehr entlasten, meint Iwersen.

„Migration nach Deutschland geschieht vor allem durch junge Kirgisen. Sie suchen nach guter Aus- und Weiterbildung.“ (Monika Iwersen, Deutsche Botschafterin in Bischkek)

Hieran schloß sich eine Erläuterung der unterschiedlichen Visa-Arten an. Es gebe Kurzzeit-Visa, die vor allem für touristische Zwecke genutzt werden und Langzeit-Visa, die die Aufnahme einer Tätigkeit ermöglichen und sich hier auch nochmal nach Studium, Forschung und Arbeit unterscheiden lassen. Iwersen zufolge würden kaum Visa zu Arbeitszwecken erteilt, hierfür würden die Kirgisen sich vor allem nach Russland und Kasachstan wenden. Für ein Arbeitsvisum müssten darüber hinaus auch bereits Deutschkenntnisse und eine Arbeitsstelle nachgewiesen werden, sodass es für ältere Kirgisen schwer sei, ein solches Visum zu erhalten. Wichtiger seien Kurzzeit-Visa, mit Blick auf die Migration aber vor allem Visa, die von jungen Kirgisen zu Ausbildungszwecken beantragt werden. Die akademische Ausbildung in Deutschland ist hoch angesehen und im Vergleich zu England oder den USA kostenlos. Wie auch Frau Wagner von der ZfA bemerkte Frau Iwersen, dass Ferienjobs in Deutschland immer attraktiver würden. Diese würden durch drei kirgisische Agenturen vermittelt, aber auch sogar durch eine Ansprechpartnerin der Bundesagentur für Arbeit im südkirgisischen Osch.

„Die Kirgisen migrieren aus wirtschaftlichen Gründen.“

Als Hauptursache für Migrationsbewegungen sieht die Botschafterin die wirtschaftliche Lage Kirgistans. Es sei für viele Kirgisen ein großes Problem, einen Job zu finden, der gut bezahlt ist und außerdem ihrer Qualifikation entspricht. Um für sich und ihre Familie einen angemessenen Lebensstandard zu erarbeiten, auch um ihren Kindern den Besuch einer weiterführenden Schule zu ermöglichen, sähen sich viele Kirgisen gezwungen, im Ausland zu arbeiten, wobei sich Russland aufgrund der Sprache und Nähe besonders anbietet. Die Folgen dieser Prozesse sind Iwersen zufolge mit Blick auf die immensen Rücküberweisungen zunächst positiv. Die einzelnen Familien, letztendlich aber auch der kirgisische Staat profitieren davon. Der Wirtschaftskreislauf  bleibt einigermaßen intakt, wenn durch diese Zahlungen Konsum und Investitionen erfolgen können. Dennoch dürfe man nicht die sozialen Folgen vergessen, wenn Familien über eine lange Zeit voneinander getrennt sind und Erziehung bestenfalls durch Verwandte erfolgt.

„Es geht darum, dass man die Strukturen vor Ort stärkt, damit weniger Kirgisen das Land verlassen müssen. Das ist zuerst eine Aufgabe des kirgisischen Staates, bei der wir aber mit anderen Staaten im Rahmen unserer Entwicklungshilfe aber auch unterstützen.“

Frau Iwersen stimmte der Überzeugung des IOM-Experten zu, dass Migration zu Kirgistan dazugehöre. Da Deutschland aber nicht zu den Hauptzielländern zählt, bleibt die Deutsche Botschaft hierbei in der Beobachterrolle und verweist auf die Anstrengungen des kirgisischen Staates und unterschiedlicher Organisationen, die negativen Auswirkungen für alle Beteiligten zu minimieren. Die Deutsche Botschaft sieht sich abschließend weder als Verhinderer der Migration, noch viel weniger als Förderer. Sie möchte mit ihrer Arbeit Migration, sofern sie Deutschland betrifft, bremsen, um allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Das hohe Interesse an Ferienjobs in Deutschland, die Vermittlungsarbeit durch kirgisische Agenturen, die Wahrung der Anforderungen überwacht sie genau. Botschafterin Iwersen hebt dazu noch einmal ausdrücklich den zuverlässigen Umgang der Kirgisen mit den Langzeit-Visa hervor und sieht in der starken Heimatverbundenheit der Auslandskirgisen auch eine Chance. Denn die Erfahrungen im Ausland könnten auch in der Heimat für Veränderungen sorgen.