Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Büro Kirgistan

Im Rahmen unseres Schüleraustausches haben wir am 19.09.2018 die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, kurz GIZ, in Bischkek für ein Interview besucht. Ziel des Interviews war es, mit deren Mitarbeitern über die Arbeit ihrer Institution allgemein, vor allem aber zum Thema Migration in Kirgistan zu sprechen.

„Wir arbeiten weltweit für eine lebenswerte Zukunft.“ (aus dem Leitbild der GIZ)

Die GIZ ist eine staatliche Organisation, die vor allem im Auftrag des Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), aber auch anderer Bundes- und Landesministerien agiert und dabei die Wirtschaftshilfe und Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern fördert. Sie möchte mithilfe der ortsansässigen Unternehmen den  wirtschaftlichen Aufbau voranbringen, hat dabei  jedoch auch eine umweltgerechte Entwicklung im Blick. Die GIZ ist in 120 Ländern vertreten und beschäftigt insgesamt ca. 19500 Mitarbeiter. In Kirgistan arbeiten davon ca. 200 und drei dieser Mitarbeiter durften wir interviewen: Svenja Berger, Leiterin einer Pilotmaßnahme zur Förderung der kirgisischen Privatwirtschaft und Integration der kirgisischen Rückkehrer, Julian Felten und Emire Deze, kirgisische Mitarbeiterin seit 1997 bei der GIZ in Bischkek. Wir, das waren die Schüler des Gymnasium Links der Weser (Lena Marie, Carlene Joy, Larissa) und der Schule 69 (Aidana, Aiperi, Barsbek, Esther, Meerim, Tolganai) in Begleitung von Herrn Heuzeroth (deutscher Lehrer, der in an der Schule 69 unterrichtet). Nach einem sehr herzlichen Empfang  durch die Mitarbeiter setzten wir uns in einem einem Raum zusammen und dann ging es auch schon los mit einer Vorstellungsrunde und unserer ersten Frage: Was macht die GIZ in Kirgistan?

Die Schwerpunkte der GIZ zielen auch in Kirgistan auf eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, aber beziehen Projekte für Jugendliche, Gesundheit, Umwelt mit ein. Unser Themenschwerpunkt „Migration“ spielt letztlich in fast allen Projekten eine mehr oder weniger starke Rolle, denn von den 6,2 Millionen Einwohnern Kirgistans arbeitet ungefähr eine Million im Ausland. Jede vierte kirgisische Familie ist direkt von Migration betroffen und hat mindestens einen Arbeitsmigranten. Diese große Anzahl Migranten erwirtschaftet laut Rechnung der GIZ 37% des kirgisischen BIP, indem sie Geldzahlungen an ihre Familien in der Heimat schicken. Das entspricht jährlich ca. 2,3 Mrd. US-Dollar.

Im Gespräch mit den GIZ-Experten wurde schnell untermauert, was wir bereits im Interview mit der IOM erfahren hatten: In Kirgistan gibt es hauptsächlich Arbeitsmigration. Berger, Felten und Deze führten dazu verschiedene Ursachen an: Zu den vielen arbeitsfähigen Kirgisen drängen durch die hohe Geburtenrate jedes Jahr 100000 neue Arbeitskräfte, denen der kirgisische Arbeitsmarkt viel zu wenig qualifizierte Arbeitsplätze bieten kann. Gleichzeitig sind die beruflichen Bildungsmöglichkeiten unterentwickelt, erworbene Kompetenzen werden nicht angemessen anerkannt, eine koordinierte und sinnvolle (bedarfsgerechte) Ausbildung gibt es nicht. Einen Arbeitsplatz, der den eigenen Qualifikationen entspricht und/oder für die Familie eine gewisse Lebensqualität ermöglicht, findet sich meist nur im Ausland, vor allem Russland, Kasachstan, mittlerweile auch der Türkei. Laut unseren drei Interviewpartnern verändert sich dadurch auch die Bevölkerungsstruktur Kirgistans. Es gibt viele sehr junge und viele alte Menschen im Land, während Menschen mittleren Alters im Ausland arbeiten. Deren Kinder bleiben meist zurück und werden durch Grosseltern oder andere Verwandte aufgezogen; was bleibt, ist, dass die Familien auseinander gerissen werden.

Hier setzt die GIZ mit ihrer Entwicklungsarbeit und ihren verschiedenen Projekten an. Im Bereich der schulischen und beruflichen Bildung möchte die GIZ aktuell die Einführung von Betriebspraktika voranbringen, um den Schülern zu ermöglichen, in verschiedene Bereiche zu schnuppern und damit nach dem Schulabschluss eine typgerechte Ausbildung zu durchlaufen. Problematisch hierbei sind aktuell noch ortsansässige Unternehmen, die sich damit schwer tun, diese Form von Innovation zu unterstützen. Auch wurde eine Art Zertifikat die Vergleichbarkeit der Zeugnisse aus den verschiedenen Landesteilen erreicht. Um die unteren PISA-Ränge zu verlassen und das Bildungsniveau zu steigern, versuchte man außerdem Einblicke in Methoden des deutschen NAWi-Unterrichts zu geben. Gerade Frauen haben auf dem Arbeitsmarkt des traditionellen und vor allem ländlichen Kirgistan schlechtere Chancen. Die GIZ sensibilisiert mit ihrer Arbeit für dieses Problem und arbeitet daran, dass die Kirgisinnen in verschiedene Berufszweige Einblick erhalten.

Den Begriff Re-Migration hörten wir in unserem Gespräch zum ersten Mal und fragten sofort nach, was das ist und inwiefern, dass für Kirgistan und die GIZ von Belang ist. Wir wurden dann darüber aufgeklärt, dass jährlich ca. 77000 Menschen nach Kirgistan zurückkehren. Diese Menschen bringen wertvolle Erfahrungen und berufliche Kompetenzen mit zurück und müssen dringend in den Fokus gelangen und besser integriert werden. Im jüngsten Projekt setzt die GIZ deshalb auch darauf, in mehreren Bereichen durch die Förderung der Privatwirtschaft und der Ausstellung eines Qualifizierungszertifikates die Chancen der Rückkehrer auf einen passenden Arbeitsplatz in Kirgistan zu erhöhen.

„In Kirgistan ist es üblich, dass die Eltern die Berufe der Kinder bestimmen.“

Hierin liegt  der Ansicht unserer Experten nach einer der wichtigsten Gründe für die Arbeitsmigration. Die Kinder lernen nicht dass, was sie gut können, was sie interessiert und auch im Land benötigt wird, sondern dass, was die Eltern für die Jugendlichen bestimmt haben. Die Gründe für diese „Bevormundung“ sind vielfältig, der starke gesellschaftliche und wirtschaftliche Druck, etwas aus sich zu machen, um ein Leben oberhalb der Armutsgrenze zu führen, spielt dabei sicherlich die größte Rolle. Uns Deutschen kommen solche Eingriffe in unsere Lebensentscheidungen wie Hinterlassenschaften aus vorangegangenen Jahrhunderten vor und wir stellten fest, dass wir in Deutschland durch ein gut entwickeltes Sozial-, Bildungs- und Wirtschaftssystem schon von Haus aus weniger Druck und existenziellen Sorgen ausgesetzt sind.

Für die GIZ, die sich wie eingangs erwähnt der wirtschaftlichen Zusammenarbeit verschrieben hat, offenbaren sich in Kirgistan also viele Arbeitsbereiche, in denen sie beraten, unterstützen, fördern und gemeinsam entwickeln kann. Da etwa ein Drittel der Kirgisen unterhalb der nationalen Armutsgrenze liegt, erscheint uns die Arbeit der GIZ enorm wichtig und wir sind umso dankbarer, dass wir einen kleinen Einblick darin erhalten konnten. Einen detaillierte Auflistung der geleisteten Arbeit und Hilfen findet man hier.