Die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, kurz ZfA, betreut Schulen weltweit, die entweder Deutsch als Fremdsprache unterrichten oder als Deutsche Auslandsschule die unterschiedlichen deutschen Abschlüsse anbieten. Das soll gar nicht nur den Kindern der im Ausland lebenden und arbeitenden Deutschen zugute kommen, sondern auch die Kinder des Gastlandes einbeziehen. Mit Hilfe des Deutschunterrichts, der verschiedenen Abschlüße und damit einhergehenden Möglichkeiten, seine Ausbildung in Deutschland fortzusetzen, möchte die Bundesrepublik die Verbindungen in andere Länder nachhaltig verankern, was sich langfristig für beide Staaten auszahlt.
„Es entstehen Netzwerke, auf die sich Außenpolitik, Exportwirtschaft und Kultur stützen können.“ (Auswärtiges Amt über Auslandsschularbeit)
Hierzu entsendet Deutschland auch Lehrer ins Ausland. Deren Arbeit vor Ort wird durch sogenannte Fachberater koordiniert. Diese bieten Fortbildungen zu den zwei maßgeblichen Deutsch-Prüfungen an, überwachen Prüfungen an den Schulen, schreiben Gutachten… Ihre Aufgaben sind vielfältig und umso spannender war es deshalb, dass wir am 19.9. Frau Wagner als ZfA-Fachberaterin für Kirgistan treffen und interviewen konnten.
Nach einem längeren Gespräch über das oben bereits beschriebene Selbstverständnis der ZfA und die Auswahlkriterien für einen Auslandslehrer, brachten wir das Gespräch auf unser Projektthema „Migration in Kirgistan“, um zu erfahren, inwiefern die ZfA mit ihren Bildungsangeboten hierbei eine Rolle spielt. Wir hatten am vorangegangenen Donnerstag vom Experten der IOM erfahren, dass die hohe Geburtenrate und die problematische wirtschaftliche Lage dafür sorgen, dass jedes Jahr mehrere zehntausend junger Kirgisen de facto gezwungen sind, dass Land zu verlassen. Sie finden in Kirgistan keine Anstellung, keine Ausbildung, keine Perspektive. Fördert die ZfA dann nicht die Migrationsprozesse der (jungen) Kirgisen, indem sie über Deutschunterricht und Co. wesentliche Voraussetzungen für Arbeiten und Leben in Deutschland schafft?
Frau Wagner hielt diese These für kritikwürdig, bestätigte aber die Hintergründe der kirgisischen Migration und stützte die Ausführungen des IOM-Experten. Grundsätzlich würde die ZfA jedoch (Ausbildungs-)Chancen bieten. Diese kommen keinem Visum für ein Studium in Deutschland gleich, würde den Erhalt eines solchen jedoch durchaus erleichtern. Darüber hinaus würden sich die erweiterten Fremdsprachenkenntnisse auch innerhalb des Landes auszahlen, sei es im Tourismus oder in der Zusammenarbeit mit deutschen Firmen. Von einer Förderung der kirgisischen Migration könne aber auch aus einem anderen Grund keine Rede sein, schließlich wären die Hauptmigrationsziele das nahe Kasachstan bzw. Russland. Frau Wagner erklärte daraufhin, dass sich deswegen die ZfA maximal als ein Vorbereiter für Migration zu sehen wäre. Demgenüber würde man aber die Migration nach Kirgistan fördern, indem man gut ausgebildete, deutsche Lehrer ins Ausland bzw. Kirgistan entsendet und ihnen an mitunter exotischen Orten die Chance auf eine gut bezahlte und spannende Tätigkeit gibt.
Unsere Frage, wieviele junge Kirgisen die Chance durch ihr DSD-Sprachdiplom nutzen und nach Deutschland kommen, um hier zu lernen oder zu arbeiten, konnte Frau Wagner leider nicht exakt beantworten. Laut ihr würden diese Kirgisen nicht direkt nach der Schule das Land verlassen, sondern erst später den Gang nach Deutschland als Teil ihres Studiums in Kirgistan wählen. Bis dahin wäre aber leider auch der Kontakt abgebrochen, sodass leider keine verlässlichen Zahlen vorliegen würden. Wagner habe aber im letzten Jahr angefangen, die bestehenden Kontakte zur Erstellung eines Überblicks auszunutzen. Sie schätzt, dass in den vergangenen 3-5 Jahren mindestens 100 junge Kirgisen nach Deutschland gekommen wären. Daneben gebe es auch Agenturen, die z.B. Praktika für Studenten des Tourismus-Studienganges organisieren würden. Ein Hotspot wäre hier der Europapark Rust, wo bis zu 40 Kirgisen in ihren Ferien arbeiten würden.
„Dieses Jahr sind sechs Kirgisen über die Aufnahmeprüfung der Studienkollegs zum Studium nach Deutschland aufgebrochen.“ (Rebekka Wagner, ZfA-Fachberaterin Kirgistan)
Die Zahlen der Migrationsbewegungen nach Deutschland sind gering. Dennoch wurde erneut deutlich, dass Kirgistan stark durch (zumindest temporäre) Migration geprägt wird. Das hat natürlich Folgen für die kirgisische Gesellschaft. Hierzu formulierte Wagner eine interessante These, indem sie meinte, dass Familien von Migration profitierten, das Land jedoch auf der Strecke bliebe. Sie erläuterte, dass die Rücküberweisungen für viele Familien eine wichtige Einkommensquelle wäre, gerade dadurch wäre es manchmal erst möglich ein Studium im Ausland finanzieren zu können. Positiv sei dabei auch der Austausch von Kulturen und Erfahrungen.
„Jemand der in Deutschland eine gute Ausbildung bekommt, ist für sein Heimatland nicht weg, sondern gibt diesem immer auch etwas zurück. Wenigstens wenn er sich mit seiner Familie und seinen Freunden über seine Erfahrungen austauscht.“ (Rebekka Wagner, ZfA-Fachberaterin Kirgistan)
Kirgistan selbst könne sich durch die starke Arbeitsmigration jedoch kaum weiter entwickeln, da die klugen Köpfe bessere Chancen außerhalb des Landes sähen. Eine Modernisierung des Landes wäre dadurch stark erschwert, was sich nicht nur negativ auf die Wirtschaftsleistung auswirken würde. Die sozialen Folgen daraus, dass viele Eltern ihre Kinder von Verwandten aufziehen lassen, damit sie im Ausland den Lebensunterhalt verdienen könnten, sind noch relativ unerforscht. Kirgistan sei außerdem ein sehr traditionsverhaftetes Land, was vor allem die Kirgisinnen spüren würden, für die Emanzipation oft ein Fremdwort wäre. An dieser Stelle könne die Arbeit der ZfA dann durchaus wieder Positives bewegen, wenn sie im Rahmen des Unterrichts die deutsche Kultur und damit andere Lebensmodelle vorstellt.
Ihre Arbeit, so Wagner, wäre letztlich die Förderung des interkulturellen Dialogs, der Netzwerke zugunsten beider Staaten aufbauen soll. Man könne immer voneinander lernen, da ist sich die ZfA-Fachberaterin für Kirgistan sehr sicher.